Inventur Lyrics

Dies ist meine Mütze,
dies ist mein Mantel,
hier mein Rasierzeug
im Beutel aus Leinen.

Konservenbüchse:
Mein Teller, mein Becher,
ich hab in das Weißblech
den Namen geritzt.


Geritzt hier mit diesem
kostbaren Nagel,
den vor begehrlichen
Augen ich berge.

Im Brotbeutel sind
ein Paar wollene Socken
und einiges, was ich
niemand verrate,

so dient es als Kissen
nachts meinem Kopf.
Die Pappe hier liegt
zwischen mir und der Erde.

Die Bleistiftmine
lieb ich am meisten:

Tags schreibt sie mir Verse,
die nachts ich erdacht.

Dies ist mein Notizbuch,
dies meine Zeltbahn,
dies ist mein Handtuch,
dies ist mein Zwirn.

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  • Type out all lyrics, even repeating song parts like the chorus
  • Lyrics should be broken down into individual lines
  • Use section headers above different song parts like [Verse], [Chorus], etc.
  • Use italics (<i>lyric</i>) and bold (<b>lyric</b>) to distinguish between different vocalists in the same song part
  • If you don’t understand a lyric, use [?]

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Genius Annotation

Dieses eher monoton wirkende “Inventur”, zwischen 1945 und 1946 entstanden, von Günther Eich verfasst besteht lediglich daraus, dass ein Soldat seine kostbaren Habseligkeiten auf zählt. Die Alltagsdinge des Internierten, so Hans-Ulrich Treichel, werden überhöht zu einer existenziellen Bedeutung. Aus ihnen entstehe eine Welt, die nicht nur die Lebenswirklichkeit des Gefangenen sei, sondern auch eine Gegenwelt zu den traumatischen Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs. Aus den erdrückenden Fragen nach Schuld und Unschuld, Tätern und Opfern, der Verquickung in die Geschichte ziehe sich das Individuum in die Besinnung auf das unmittelbar Verfügbare zurück.

Hans Helmut Hiebel führte weiter aus: die nationalsozialistische Gesellschaft sei am Ende des Zweiten Weltkriegs zerfallen, die sozialen Bande zerstört, der Einzelne vereinzelt und isoliert, zurückgeworfen auf sich und seine verbliebene Habe. Deren Aufzählung rücke erst ihre Geringfügigkeit ins Bewusstsein. Augenscheinlich sei das Fehlen jedes Erinnerungsstücks, Fotos oder sonstigen Überrests einer sozialen Bindung. Der karge Besitz definiere sich über den funktionalen Nutzen und mache den Einzelnen autark. Die zu Kostbarkeiten gewordenen Alltagsgegenstände werden als Schutz gegen Diebstahl namentlich markiert, der Andere mit seinen „begehrlichen Augen“ werde als Bedrohung empfunden. Lebensmittel kommen im Gedicht nur durch ihre Abwesenheit vor: der Brotbeutel werde als Behälter für Socken zweckentfremdet.
Erst in der vorletzten Strophe werde unvermittelt ein Gefühl benannt: die Liebe des lyrischen Ichs zu seiner Bleistiftmine. Erst diese Emotion gestalte das Ich charakteristisch, mit ihr trete aus dem allgemeinen Typus des Heimkehrers, der einer unter Millionen sein könnte, ein Individuum hervor, das durch seinen literarischen Impuls eine Besonderheit erlange. Die Bleistiftmine ermögliche eine Form von Kommunikation, ein Bewusstsein der eigenen Lage, deren Verarbeitung in Literatur. Das Niederschreiben der „Verse“ werde zu einem Moment der Selbstreferenzialität, das Entstehen des Gedichts zu seinem eigenen Thema.[5] Ina Hartwig sah in Inventur den Versuch, mit minimalen Möglichkeiten das Eigene aufrechtzuerhalten, und in seiner Konsequenz einen Triumph des Subjekts. In der materiellen und moralischen Niederlage stelle das Ich fest, dass es noch da sei, dass es denke, schreibe und das Schreiben liebe. Das Gedicht handle „[v]on der Rückeroberung einer unverlorenen Subjektivität“.

Q&A

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